Montag, 27. April 2015

Feuilleton: Frau Schönlers Stimme

Feuilleton



Mein Name ist Frau Schönler.  Ich möchte schreiben, weil so viele Leute in dieser Stadt vergessen.  Sie vergessen was?  Sie vergessen alles.  Sie vergessen mich und sie vergessen Herrn Schmied.

Ein Mann hat Lamboing besucht.  Er heißt Dürrenmatt.  Kennen Sie ihn?  Natürlich.  Alle kennen ihn, weil er über unser Leben geschrieben hat.  Über „den Fall“ und „die Untersuchung,“ dass so interessant war.  Das so spannend ist.  Aber Herr Dürrenmatt, muss ich Ihnen sagen, dass Sie etwas vergessen haben.   Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen.

    Warum schreiben Sie nur über Bärlach?  Naja.  Bärlach ist interessant.  Sehr interessant.  Aber wir können nur durch seine Augen den Fall verstehen.  Warum nur ihn?

    Ich habe so viel über Herrn Schmied zu sprechen.  Ich habe ihn so gut gekannt und er war ein sehr guter Mann.  Sehr guter.  Wie Sie haben gesagt, Herr Dürrenmatt, sage ich immer „Er ist der beste Untermieter, den wir je gehabt haben; und nie gab’s Geschichten mit Damen oder so.“  Er war super toll – besser als alle die andere Polizei, die so oft hier gekommen haben.  (Zu viele Polizisten bei mir!)  Weil er so gut war, musste ich bei seiner Beerdigung weinen.  Es war traurig.  So, so traurig.

    Ich kenne Herrn Schmied so gut.  Ich habe so viel über Schmied zu sagen.  Und so ich verstehe nicht, warum ich in Dürrenmatts Buch nur zweimal bin?  Ich und Anna haben keine Stimme in diesem Buch.   Die arme Anna kennt Herrn Schmied besser als alle, aber sie war fast nie in Herr Dürrenmatts Buch.  Ich weiß, Herr Dürrenmatt, dass wir nur Frauen sind, aber ich habe etwas zu sagen.  Hier ist mein Brief für Sie:

Lieber Herr Dürrenmatt,

    Das erste mal, dass ich in Ihrem Buch war, haben Sie mich beschreiben, „eine kleine, dicke, nicht unvornehme Dame.“  Was für eine Beschreibung!  Ich verstehe nicht, warum jedes Mal müssen Sie das Wort „dicke“ benutzen, wenn Sie mir beschreiben müssen.  Vielleicht ist es selbstsüchtig, dieses Wort nicht möchten.  

   Aber es ist nicht egoistisch, die Wahrheit zu suchen.  Zum Beispiel, wenn Bärlach sagte, „Schmied mußte diese Nacht dienstlich verreisen,“ das war eine große Lüge.  Und ja.  Ich verstehe, dass es so komisch ist, wenn sagte er, „er ist nicht in den Tropen, er ist mehr in der Höhe“ und antwortete ich „Mein Gott, im Himalaya.“  Ich kann einen Spaß verstehen.  Einen Spaß verstehen aber nicht eine Lüge verstehen.  In diesem Buch, scheine ich so dumm.  Aber in Wirklichkeit habe ich die ganze Zeit gewusst, dass Herr Schmied tot war.  Ich bin kein Idiot, Herr Dürrenmatt.  Kein Idiot.

    Es ist auch wahr, dass ich eine Postkarte von Schmied wollte.  Mein Sohn sammelt Briefmarken.  Stimmt.  Aber wissen Sie nicht, dass ich eine echte Postkarte von Herr Schmied hat?  

    Ich lüge nie.  Mein Sohn hat eine “Briefmarken Sammlung” von Herr Schmied –  eine Tatsache, die Bärlach nicht gefunden hat.  Warum war das keine Spur in Ihr Buch?  

    Und Anna.  Arme Anna.  Warum können wir nie über Anna hören?   Nach dem Tod, habe ich mit Anna viel geredet.  Wenn Sie mit Anna sprechen, könnten Sie wissen, dass Herr Schmied in Geheimnis einenn Zwillingsbruder hatte.  

    Herr Tschanz und Herr Gastmann sind nicht hier.  Sie sind tot.  Aber Herr Schmied?  Lebt er noch?

    Ich kann nicht mehr sagen.  Sprechen Sie mit Anna für die Antwort.

    Aber jetzt spreche ich mit Lamboing.  Alle die Personen in Lamboing.  Wenn Sie die Wahrheit möchten, müssen sie mit der Frauen sprechen.

    Das ist alles für jetzt.  Danke für ihre Zeit und viel Glück.  Ich hoffe, dass die Tötung endet in dieser Stadt.  Bitte.

~ Frau Schönler

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